Köln verliert 6:2 in Frankfurt und die Fans supporten ihre Mannschaft dennoch bis zum Schluss. Wenige Tage später kritisiert Manager Jörg Schmadtke die Kölner Fans.
„Sie lassen die Mannschaft im Stich. Damit zeigen sie einmal mehr: Ihre Eigeninteressen stehen weit über denen des Vereins.”
Was war passiert? Beim Derby der vergangenen Saison in Mönchengladbach zündeten die Kölner Fans vermehrt Pyrotechnik und einige stürmten kurz nach Spielschluss auf das Spielfeld. Eine unfassbar unnötige wie dämliche Aktion, die von DFB und DFL natürlich bestraft werden musste. Das Bizarre ist jedoch, auch die Gladbacher werden bestraft, obwohl sie in dieser Partie nicht negativ auffällig geworden sind.Wie genau werden die Gladbacher bestraft? Zur Unterbindung solcher Aktionen in zukünftigen Derbys mussten beide Vereine ein Sicherheitskonzept entwickeln. Dieses Konzept lässt sich aus baulichen Gründen in Köln nicht mit dem üblichen Gästekontingent von 10% durchführen. Daher wurden die Karten für Gladbach von 5000 auf 3500 begrenzt. Zusätzlich erfolgt die Ausstellung der Karten ausschließlich personalisiert.
Die aktive Fanszene von Borussia Mönchengladbach entschied sich daher für einen Boykott, schließlich ist die Fankultur ihnen wichtiger als ein einziges Derby. Daraufhin beschloss auch die Kölner Fanszene den organisierten Support für das Derby einzustellen. Diese Maßnahme kann man als Solidarität gegenüber der Gladbacher verstehen, was der Südkurvenverein selbstverständlich abstreitet.
“Es geht hier nicht um die Gladbacher, um Rivalitäten oder Geschehnisse aus der Vergangenheit, sondern darum Position zu beziehen: Für den Erhalt der Fankultur und gegen die Maßnahmen des DFB”
Solidarität hin oder her, mit ihrer Aussage haben die Kölner vollkommen recht. Das Ausmaß der Strafen von DFB und DFL für das Derby ist untragbar. Während man in Gladbach, trotz der aktuellen sportlichen Situation Verständnis hat, hagelt es von Kölner Seite Kritik. Wie oben erwähnt, sieht Schmadtke die Mannschaft im Stich gelassen. Dass Schmadtke die Begründung für „massivst albern“ hält, zeigt wie wenig Ahnung er doch von Fankultur hat. Die Kölner Fans stellen mit ihrer Protestaktion nicht ihr Eigeninteresse in den Vordergrund, sondern das Interesse aller Fußballfans in Deutschland. Wenn man solch überzogene Strafen einfach akzeptiert, riskiert man dass sie zur Gewohnheit werden.
Dazu muss man nur einmal einen Blick ins Ausland werfen. In der Türkei gibt es seit etwa 2 Jahren personalisierte Karten, in Italien seit 2009. Was das für die Stimmung bedeutet ist eindeutig. Während Italien in den 90er Jahren noch das Maß aller Dinge war, sind die Zuschauerzahlen seit Jahren rückläufig. Die 2009 eingeführte „tessera del tifoso“ für den Kauf von Eintrittskarten, bestärkte den Rückgang zusätzlich. Seither ist der Zuschauerschnitt von 25000 auf etwa 22000 gesunken (Statistiken von weltfussball.de). Das Problem der Gewalt konnte dadurch aber nicht gelöst werden. Laut Altravita verlagert sich diese nur auf die unteren Ligen oder andere Tribünen. Teilweise ist es in Italien nämlich möglich Haupttribünenplätze frei zu erwerben, während man Zugang zum Gästeblock nur mit Fankarte erhält. In der Türkei sind die Rückgänge bei den Zuschauern deutlich gravierender. Seit die „Passolig“ in der Saison 13/14 eingeführt wurde, haben sich die Zuschauerzahlen mehr als halbiert. Während die großen Vereine Fener und Gala 2013 noch einen Zuschauerschnitt von etwa 40.000 hatten, kommen heute im Schnitt um die 15.000. Die ganze Liga hatte vergangene Saison eine Stadionauslastung von nur 26%. Natürlich mussten DFB und die Vereine nach den Vorfällen in Mönchengladbach reagieren. Kollektivstrafen und personalisierte Eintrittskarten sind jedoch der falsche Weg.
Schmadtkes Aussagen erwecken zudem den Eindruck ein Verein hat ein gottgegebenes Anrecht auf Fansupport. Doch Fansupport kann man als Verein nicht erwarten, man muss ihn sich verdienen. Dabei spielt der sportliche Erfolg eine eher untergeordnete Rolle. Fanszenen geben alles für ihre Vereine und das möchte man auch auf der Vereinsseite sehen. Das betrifft Trainer, Spieler und Offizielle. Die Spieler sollen sich auf dem Platz den Arsch aufreißen und die Manager sollen bei ihren Entscheidungen nicht die finanziellen Aspekte sondern die Interessen des Vereins in den Vordergrund stellen, vor allem beim Thema Investoren. Niederlagen verzeiht die Fanszene gerne, wenn man allerdings als Verein seine Fans nicht respektiert, bleiben diese irgendwann gänzlich fern. Siehe Hannover vergangene Saison.
Die Protestaktionen beider Fanszenen im Derby sind nicht gegen ihre Mannschaften gerichtet, sondern ein großartiges Zeichen für den Erhalt unserer Fußballkultur. Wer das nicht versteht, der hat meiner Meinung nach auch nichts an der Spitze eines Fußballvereins zu suchen.
Mirkchief