Wie wird eigentlich die kommende Saison der Eintracht? – Zu Besuch bei einer Wahrsagerin

Als mir Dietlind Herlert die Tür eines unscheinbaren Reihenhauses in einem Mainzer Vorort öffnet, läuft im Hintergrund der Fernseher. „Moment, den muss ich noch kurz ausschalten und meinem Hund etwas zu essen geben.“ An ihrem Arm trägt die ältere Dame eine Apple Watch, später zückt Sie ihr iPad; ein iPhone besitzt Sie auch. Eine Wahrsagerin hatte ich mir anders vorgestellt. „Ich bin keine Wahrsagerin, sondern mache mediale Lebensberatung.“, verbessert Sie mich.

Das Arbeitszimmer entspricht schon eher meinen Vorstellungen. Die Regale sind voller Dekoartikel. Glaskugeln, Kerzen und Engelsskulpturen in allen Formen und Größen. Geschenke von langjährigen Kunden wird mir erklärt. An der Wand hängt ein großes Bild von Braco, einem Heiler. Ich frage, ob er eine Art Lehrmeister oder Mentor ist, Sie verneint: „Das Kartenlegen kann man nicht lernen, man muss eine Begabung haben.“ Ihre ersten Erfahrungen darin machte Frau Herlert mit einer Freundin im Urlaub. Jeden Morgen haben Sie sich Karten gelegt, um zu erfahren was der Tag bringt.

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Bringen diese Engel der Eintracht in der neuen Saison Glück?

Damals war Sie im öffentlichen Dienst angestellt. Ihre Kollegen sind bei Problemen oft zu ihr gekommen. Erst im Nachhinein hat Sie erfahren, dass schon ihre Großtante während dem zweiten Weltkrieg Karten gelegt hat und Ihr diese Begabung auch im Horoskop bestätigt wird. Heute ist auch ihre Tochter eine bekannte Handleserin, Sie selbst hat mehrere Bücher über das Kartenlegen geschrieben.

Richtig angefangen mit dem Kartenlegen hat Frau Herlert als Sie sich von ihrem Mann getrennt hat. Die Lebensberaterin legt Lenormandkarten. Die gibt es bereits seit dem 19. Jahrhundert und sie haben ihren Namen von Marie Anne Lenormand. Marie Anne legte Zeit ihres Lebens Karten und hat die Bilder darauf selbst gezeichnet. Nach ihrem Tot 1843 setzte sich daher der Name Lenormandkarten durch. Die gebräuchlichste Variante davon hat 36 Karten, alle mit einer unterschiedlichen Bedeutung. Es gibt jedoch auch Sets mit 54 Karten, eine andere Variante—bekannt als Tarotkarten—hat klassischerweise 78.

Die Wahrsagerei an sich gibt es schon seit der Antike. Die weltlichen Herrscher wendeten sich oft an Wahrsager, strikter Gegner war jedoch die katholische Kirche. Im katholischen Mainz bekam Herlert noch keine Kritik oder Anfeindungen. Sie ist sehr gläubig, das neue Testament in der Bibel ist schließlich ein Buch voller Prophezeiungen.

Ich habe mich mit der Lebensberaterin verabredet, weil ich wissen wollte, wie mein Verein nächste Saison abschneidet. Letzte Saison musste die Eintracht bis zum Schluss um den Klassenerhalt zittern. Hoffentlich sieht Frau Herlert, dass uns das 2017 erspart bleibt. Fußball interessiert Sie überhaupt nicht, umso besser denke ich.

Also frage ich, wie die Saison der Eintracht verlaufen wird. Dabei muss ich die Karten mischen und danach mit der linken Hand—weil diese Seite vom Herzen kommt—in drei Stapel auslegen.

Sie deckt nach und nach auf und prognostiziert: „Die Wege der Eintracht sind noch unklar und der Erfolg hängt an einem Mann.“ Sie deckt weitere Karten auf und erklärt: „Der Verein ist wie eine Familie und die Wege gehen oft nach außerhalb.“ Können die Fans vielleicht von Europa träumen? Bei der aktuellen Kaderzusammenstellung sind beide Aussagen schwer zu glauben. Immerhin ist vom Abstieg keine Rede.

Wir wollen tiefer in die Materie gehen und ich frage nach dem Trainer: „Ist er derjenige, der den Erfolg bringt?“ Zunächst sieht es so aus, denn die erste Karte besagt, dass Kovac alles daran setzen wird, damit die Eintracht sportlich weiterkommt. Die nächste Karte ist ein Fuchs—eine negative Karte. „Der Trainer kommt an einem gewissen Punkt nicht weiter, vielleicht ist die Mannschaft zu schwach“, spekuliert Herlert. Aus Fansicht würde ich diese Aussage sofort unterschreiben.

Ich will es genauer und frage, ob der Trainer bis Saisonende bleiben wird? „Es werden sich Aggressionen aufbauen und seine Zukunft steht noch auf der Kippe“ ist Herlerts Antwort, dann wird Sie erstaunlich präzise: „Sagen wir es so, in der nächsten Saison ist er bestimmt nicht mehr da.“ Klingt durchaus plausibel.

Die schwache vergangene Saison hat auch mit dem langzeitverletzten Alex Meier zu tun. Schließlich ist der Erfolg der Eintracht so abhängig von ihrem Fußballgott, wie Marco Reus es bislang vom Busfahrer war. „Kleine Verletzungen werden nächste Saison dabei sein“, sagen die Karten, „Er wird eine wichtige Rolle spielen, aber ein Jüngerer wird ihm große Konkurrenz machen.“ Das wäre in der Tat zu schön um wahr zu sein. Offensiv hat sich die Eintracht mit Rebic und Hrgota jedoch für ihre Verhältnisse gut verstärkt—wer weiß.

Zu Marco Russ machen die von Frau Herlert gelegten Karten erneut sehr präzise Aussagen: „Die Dinge werden sich klären und was bisher ein Geheimnis ist, wird die Öffentlichkeit erfahren.“

Zum Abschluss möchte ich wissen, wie sich sich die Fans während der Saison verhalten? „Die Fans haben sehr viel Power, das färbt sich auch auf die Mannschaft ab. Trotzdem wird es Diskussionen geben und die Fans fühlen sich aufs Kreuz gelegt, wenn die Mannschaft schlecht spielt. Insgesamt bleibt die Situation aber im Griff.“ Randalemeister werden 2017 wohl andere.

Phasenweise war ich überrascht von den präzisen Aussagen der Lebensberaterin. Zwei Tage nach meinem Gespräch hat sich die Prognose zu Marco Russ bereits bewahrheitet. Er zeigte sich bei der Saisoneröffnungsfeier erstmals seit seiner Chemotherapie in der Öffentlichkeit. Der Heilungsprozess verläuft planmäßig und ein Comeback ist in der Rückrunde geplant. Komplett überzeugt bin ich zwar immer noch nicht vom Wahrsagen, beziehungsweise von der medialen Lebensberatung, aber damit die Prognosen eintreten, muss man schließlich daran glauben. Das werde ich, denn mit der Zukunftsvision von Frau Herlert kann ich als Eintracht-Fan bestens leben.

Mirkchief

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