Fußball und Fankultur auf dem Scheideweg

Der Derbyboykott der Ultras Gelsenkirchen sorgte erneut für einen Paukenschlag, aber er war Absehbar.  Ultragruppen lösen sich auf, Fangruppen boykottieren Spiele und sogar Derbys. Die Fernsehgelder werden immer wichtiger und sorgen seit Jahren für eine langsame Zerstückelung der Spieltage. Während man in der Premiere League schon über Spiele außerhalb Englands diskutiert, ist die Bundesliga zwar noch in einem akzeptablen Zustand, aber Spielansetzungen sorgen auch in Deutschland für Probleme. Häufig hat man ohne Urlaub keine Chance, seinen Verein zu Auswärtsspielen begleiten.

In Ausnahmefällen sind auch die Besuche der Heimspielen nur erschwert möglich. Gleichzeitig werden die Strafen und Repressionen von DFL und Polizei immer strikter. Teilweise erfolgen Maßnahmen sogar ohne eine strafrechtliche relevante Aktion im Vorfeld. Das Spiel Dortmund gegen Schalke, die sogenannte Mutter aller Derbys ist eines der emotionalsten Fußballspiele des Landes. Durch die lange bestehende Feindschaft der beiden Fanlager kommt es natürlich auch zu Straftaten. Seit dem Derby im Oktober 2013 kam es allerdings zu keinen größeren Zwischenfällen. Daher wurde bereits im letzten Jahr die Zahl der zugelassenen Gästefans wieder erhöht. Umso unverständlicher ist die erneute Reduktion. Folgerichtig beschlossen die Schalker Ultras das Derby nicht zu besuchen.

Die Stimmung in den Kurven ist angespannt. Langsam tun sich Gräben zwischen Ultragruppen und „normalen Fans“ auf. Nicht jede Aktion der Ultras wird gutgeheißen und Abbrennen von Pyrotechnik sorgt vermehrt für Unverständnis. Möglicherweise hat sich das monotone „Die Schaden dem Verein“-Gelaber langsam in die Köpfe des Fußballvolks eingebrannt. Sicherlich ist Kritik an Pyrotechnik gerechtfertigt, wenn es um Böller, Wurfgeschosse oder anderes gesundheitsgefährdendes Material geht. Das heißt aber nicht, dass Pyrotechnik nicht auch in heutigen Stadien sicher abgebrannt werden kann, Beispiel Norwegen. Dort ist Pyrotechnik legal, sofern vorher angemeldet und das Abbrennmaterial einer Prüfung unterzogen wurde. Geht die DFL ihren Weg so weiter, wird die Bundesliga mehr und mehr zu einem Konsumprodukt der Sofaliebhaber verkommen. Ohne Stimmung wäre der Fußball aber nicht das was ihn ausmacht und einzigartig macht. Wie wichtig Fans für die Stimmung sind konnte man erst vor kurzem beim Derby zwischen Köln und Gladbach sehen. Auch dort entschieden sich die Fans nicht zu kommen, beziehungsweise keine Stimmung zu machen. Nach dem Derbysieg der Kölner erklärte ein Fan seine Stimmungslage so. „Da wartest du seit 2008 auf einen Derbysieg und dann ist nichts los. Fühlt sich an wie seine Ex zu ficken.“

Allerdings sorgen nicht nur Strafen, sondern auch völlig überzogene Preise für ein Fernbleiben der Fans.  Die Dortmunder mussten diese Saison in Hoffenheim 55€ für die günstigste Sitzplatzkarte bezahlen. Die Fans riefen daher zum Boykott auf und gingen lieber zur 2. Mannschaft. Im ersten Moment sind die Vereine, die Leidtragenden solcher Protestaktionen, durch fehlende Zuschauereinnahmen. Werden solche Situationen zur Regel wird auch die DFL massiv darunter leiden. Stadionatmosphäre mit Klatschen, Pfeifen und Fangesängen macht den Fußball erst zu dem was er ist. Das weiß man bei der DFL und verlangt daher Geld für Tonübertragungsrechte, die sich jüngst Sport1 gesichert hat. Für einen Audiokommentar zu einem Fußballspiel bedarf es jedoch keinen Erwerb von Rechten. „Juristisch betrachtet gibt es überhaupt keine Audio-Verwertungsrechte, sondern nur Verbote, die auf das Stadionhausrecht gestützt werden.” Sprich einen Audiokommentar vom Fernseher kann jeder machen, ohne rechtliche Konsequnezen zu fürchten. Es wird allerdings schwer die Hörer zu begeistern, wenn die Stadionatmosphäre fehlt. Ein Stadion ohne Fans fügt dem Radio- und Fernsehprodukt Bundesliga einen erheblichen Schaden zu. Es scheint eine Frage der Zeit zu sein, wie lange die aktiven Fanszenen noch freiwillig ins Stadion kommen beziehungsweise kommen dürfen, aber eines sollte klar sein. Die DFL braucht die Fans mehr, als die Fans die DFL.

Mirkchief

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