Tripreport Sevilla: Wie man trotz 4 Stunden Aufenthalt seinen Flug verpasst

Da mein Bruder ein Auslandssemester in Sevilla absolvierte war klar, dass ich die Gelegenheit nutzen musste um mir die dortigen Stadien anzusehen. Vom 31.01 bis 04.02 sollte die Reise gehen. Der FC Sevilla spielte am Sonntag, den 01. Februar, gegen Espanyol Barcelona.

Als wir Samstagmittag in Sevilla landeten war das erste Ziel, eine Sportsbar zu finden, um den Rückrundenstart der Bundesliga zu schauen. Mein Bruder erzählte von einer deutschen Kneipe, in der er während der WM häufig zum Fußball gucken war. Ob dort Bundesliga gezeigt wird, wusste er jedoch nicht, aber er erzählte davon, dass im Laden die Schals sämtlicher Bundesligisten hingen. Zahlreiche Alternativen gab es sowieso nicht und so machten wir uns auf den Weg zur besagten Kneipe.
Dort angekommen war die Erleichterung groß: Auf einem Flatscreen hinter der Theke lief die Bundesliga-Konferenz. Leider nicht in HD, aber das war zu verkraften. Das Ambiente war ähnlich wie auf einer Kleinstadtkirmes: Spärlich eingerichtet, aber dafür haufenweise kitschige Kneipendeko. Der Klassiker, die „Kein Bier vor 4“-Uhr durfte natürlich nicht fehlen, ebenso diverse Fußballschals. Der Wandkalender hing noch im Jahre 2010 fest, aber bei den Schals war Aktualität angesagt, denn es gab sogar einen Paderborn-Schal. Nach Begutachtung der Lokalität zogen es meine Eltern vor, in die Markthalle zu gehen, um dort etwas zu essen. Ich sollte meine Entscheidung, in der Bar zu bleiben, später noch bereuen.
Neben mir hatte sich nur ein einziger weiterer Mensch in die Bar verirrt. Er war auch Deutscher und verbrachte ebenfalls ein Auslandsemester in Spanien.
Zu meiner großen Freude führte die Eintracht bereits 1:0 in Freiburg, der Rest war uninteressant. In der zweiten Halbzeit vergab die Eintracht innerhalb kürzester Zeit die Führung und verlor schließlich 4:1 beim Tabellenletzten.

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Dementsprechend war dann auch meine Stimmung. Der Ärger darüber wurde noch größer als meine Eltern mir von den Delikatessen des Marktes erzählten. Aber ich nahm das ganze mit Humor, nach dem Motto: „Flug nach Sevilla 200€, deutsches Bier 3,60€, beim Stande von 1:0 ankommen und dann 4:1 verlieren, unbezahlbar!“ Die Hoffnung, mit der Eintracht im nächsten Jahr ein Europaleague Spiel in Sevilla zu bestreiten, sank jedenfalls.

Am nächsten Tag stand das Spiel von Sevilla auf dem Programm. Den Morgen verbrachten wir damit den Königlichen Palast, Royal Alcázar, zu besichtigen. Mein Bruder hatte sich als Architekturstudent bereits ein gutes Wissen über die örtlichen Bauwerke beschafft und konnte uns so eine Tour bieten, die einen Tourguide mit gebrochenem Englisch überflüssig machte. Gegen 17h machte ich mich mit meinem Vater auf den Weg zum Spielort, dem „Estadio Ramón Sánchez Pizjuán“.

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Kurz zum Stadion: Benannt – wie in Spanien üblich – nach einem ehemaligen Präsidenten, erbaut Ende der 50er Jahre, mit zweimaliger Renovierung 1980 und ’97, Spielort der WM 1982 und aktuell etwa 45000 Plätze. Aus der Altstadt benötigt man ungefähr 25 Minuten, um das Stadion fußläufig zu erreichen. Dort angekommen machten wir uns zunächst auf die Suche nach Karten. Wie an jedem Stadion gab es auch hier einige zwielichtige Ticketverkäufer. Aber Fragen kostet schließlich nichts und wir versuchten unser Glück. Der Verkäufer hielt uns zwei Karten vor die Nase und sagte etwas von „fifteen“. Zunächst hörte es sich so an, als wolle er das für beide Karten. Als wir ihm 15€ hinhielten lehnte er ab. Auf den Karten stand gut erkennbar 15€, also versuchten wir es mit 30€, doch auch hier lehnte er ab. Wir konnten nicht genau verstehen was er wollte, aber mehr als den Einkaufspreis wollten wir nicht bezahlen, zumal die Partie alles andere als ausverkauft war. Also ging es zu den offiziellen Ticketschaltern. Dort gab es noch ausreichend Karten in allen Kategorien. Wir entschieden uns für die günstigsten Karten, da es in diesem Spiel nicht unbedingt darum ging, besonders gut zu sehen, sondern einfach den Ground mitzunehmen. Eine Meinung die sich während dem Spiel durchaus ändern sollte. Die Plätze befanden sich in einer Kurve auf dem Oberrang. Direkt rechts neben unseren Plätzen befand sich ein Zaun, der die Tribünen abtrennen sollte, aber leider auch die Sicht deutlich beeinträchtigte. Die Platzangabe war aber sowieso eher eine Vorschlag als eine genaue Richtlinie. Daher suchten wir uns, wie viele andere auch, Plätze mit besserer Sicht. Kurz vor Spielbeginn wurde es dunkel und das Stadioninnere bot eine schöne Ansicht. (Hier entstand übrigens auch das Coverbild)

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Das Foto täuscht allerdings etwas über das mittlerweile marode Stadion hinweg. Obwohl es sich bei dem Spiel um das Duell des Tabellenfünften gegen den 9. handelte, kannte ich eigentlich kaum einen der Spieler und dementsprechend gering war auch meine Erwartung an das Spiel. Doch es sollte sich in eine Partie entwickeln, die nahezu alles zu bieten hatte: 10 Gelbe Karten, einen Platzverweis, einen Elfmeter, Führungswechsel und einen Siegtreffer für die Hausherren kurz vor Schluss.

Die Gäste gingen durch einen berechtigten Foulelfmeter nach einer Viertelstunde in Führung. Sevilla versuchte den Druck zu erhöhen und konnte das Spiel noch vor der Pause drehen. Ein mögliches 3:1 in der 40. Minute, per Lupfer über den herauslaufenden Torwart, verhinderte dieser per Hand. Außerhalb des Strafraums allerdings und damit Rot. Trotz überzahl kam Sevilla in der zweiten Halbzeit nur zu wenigen Tormöglichkeiten. Eine knappe Viertelstunde vor Ende glich Espanyol sogar aus und das nicht ganz unverdient. Für viele Zuschauer natürlich Anlass, nach Hause zu gehen. Diejenige, die noch im Stadion waren und nicht mit dem Essen von Sonnenblumenkernen beschäftigt waren, konnten sich über den 3:2 Siegtreffer in der 89. durch Aspas freuen und sangen „Vamos mi Sevilla“. Das Spiel hatte es also in sich und wir gingen zufrieden nach Hause.

Der Heimflug war erst für Mittwoch vorgesehen, also blieben uns noch gute 2 Tage. Langweilig wird einem in Sevilla jedenfalls nicht so schnell. Wir besuchten noch die Kathedrale, den Plaza de España und die Stierkampfarena. Natürlich stand auch das Stadion von Betis auf meiner Liste. Ich fuhr gemeinsam mit meinem Bruder dorthin, ohne mich vorher über Besichtigungsmöglichkeiten, Trainingszeiten etc. zu informieren. Die Hoffnung war, da es sich mittelerweile um einen Zweitligisten handelt, das Stadion einfach so anschauen zu können. Ähnliche Erfahrungen konnte ich bereits in Porto, beim Besichtigen des Stadions von Boavista machen. Leider hatten wir hier kein Glück. Stadiontouren müssen vorher angemeldet werden und werden erst ab 5 Personen angeboten. So blieb uns nur der Umlauf von außen.
Das Stadion hat eine interessante Geschichte. Natürlich heisst es nach einem ehemaligen Präsidenten, war Spieltort der WM 82, blablabla. Das Interessante ist allerdings die letzte Renauvierungsmaßnahme ab 2000. Unter anderem durch die Wirtschaftskrise und Abstiege sind dem Verein die finanziellen Mittel ausgegangen und so wurden nur 2 von 4 Tribünen fertiggestellt. Ironischerweise sitzen die Fans der Gegengerade auf einer neuen Tribüne, während sich die Ehrengäste noch mit einer alten Haupttribüne arrangieren müssen. Der Anblick ist auf jeden Fall verblüffend. Es sieht so aus, als würde sich das Stadion noch mitten im Umbau befinden. Zwischen der Gegengerade und der alten Hintertortribüne ragen Metallstäbe aus der neuen Tribüne, um die eigentlich geplante Hintertortrübune anzuschließen. In Deutschland undenkbar, in Spanien kein Grund zur Sorge.

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Dienstag Abend war Bundesliga, also ging es wieder in die deutsche Kneipe. Die Eintracht spielte gegen Wolfsburg und die Eintracht spielte erstaunlich gut. Inui hatte in diesem Spiel den einzigen lichten Moment der vergangenen Saison, dribbelte an zwei Wolfsburgern vorbei und legte auf Aigner quer. 1:0 in der 58. Minute. Davon unbeeindruckt spielte die SGE weiterhin guten Fußball, doch zwei Minuten vor Ende kassierten wir den Ausgleich. Ärgerlich, aber einen Punkt gegen die Bayernbezwinger aus Wolfsburg hätte man als Eintrachtfan vor dem Spiel sicherlich unterschrieben.

Am nächsten Tag ging es dann wieder zurück nach Hause. Abflug war leider schon um 11h, obwohl der Anschlussflug in Madrid erst gegen 17h abhob. Wir hatten also gute 4 Stunden Aufenthalt im Flughafen, was ziemlich ärgerlich ist, da es zu wenig ist, um die Stadt zu besichtigen, aber dennoch eine nervig lange Zeit. Nachdem wir uns kurz mit Snacks und Kaltgetränken versorgt hatten, machten uns direkt auf den Weg zum Gate. Das sollte sich scheinbar bezahlt machen, denn wir hatten im Wartebereich ausreichend freie Sitzplätze zur Auswahl. Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich boarden konnten, machte man uns allerdings darauf aufmerksam, dass unser Flug an einem anderen Gate bereit steht. Selbstverständlich am komplett anderen Ende des Flughafens. Die freundlichen und cleveren Hinweisschilder zeigten einen Weg von 25 Minuten bis dorthin an. Das Problem, das Gate schloss bereits in zehn. Wir mussten erneut durch Sicherheitskontrollen und mit einer Bahn fahren. Wahrscheinlich schafften wir die Strecke in absoluter Bestzeit, denn wir brauchten nicht einmal die Hälfte der angesetzten Zeit. Dennoch kamen wir erst um 17:37 an und das Gate schloss offiziell um 17:35. Hier waren die Spanier dann auf einmal wie eine typische deutsche Behörde. Wenn da 17:35 steht, dann schließt das Gate auch um 17:35. Alle Überzeugungsversuche blieben unerhört, obwohl das Flugzeug selbstverständlich noch 15 Minuten an der Brücke stand. Ein unnötiger Schlusspunkt einer wirklich tollen Kurzreise. 45€ Umbuchungsgebühr und weiteren 2 Stunden Wartezeit später flogen wir dann endlich Richtung Frankfurt. Das Stadtmotto „NO8DO“ oder ausgeschrieben „No me ha dejado“, was übersetzt heißt: „Sie (die Stadt Sevilla) hat mich nicht losgelassen“, passte also fast wortwörtlich. Wir werden die Stadt trotzdem in guter Erinnerung behalten, der verpasste Flug war ja schließlich auch in Madrid.

Mirkchief

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