Einmal Steinzeit und zurück

Nach dem Aufstieg von Darmstadt 98 war klar, ein Spiel am Böllenfalltor muss man gesehen haben. In der Liga an Tickets zu kommen ist jedoch schwer, denn durch Dauerkarten gehen pro Spiel nur 3000 Tickets in den freien Verkauf. Eine passende Gelegenheit war daher die zweite Pokalrunde gegen Hannover.

Am Hauptbahnhof angekommen, bot die Stadt zunächst wenig Fußballatmosphäre. Die Sonderbahnen zum Stadion wurden zur Hälfte von Studenten und Berufspendlern genutzt und Fangesänge traute sich auch niemand anzustimmen. Zu Darmstadts Verteidigung, es war schon spät und die Fans größtenteils wohl schon im Stadion. Dessen Anblick von außen war relativ unspektakulär, lediglich die gut sichtbaren Flutlichtmasten ließen die Anspannung steigen. Im Stadion selbst überwiegt Improvisation. Die Toilettenhäuschen sind Container beziehungsweise Dixie-Häuschen und die Verpflegungsstände ein bunter Haufen mobiler Verkaufsstände. Ein Highlight ist die Wurst vom echten Holzkohlegrille. Auch das Bier ist in Ordnung, 4€ ohne Pfand ist ein Preis, den man mittlerweile leider bezahlen muss.

Das Beste am Böllenfalltor sind die Ränge. Stehplätze machen 80% der Kapazität aus und befinden sich auf allen Tribünen. Auf der obersten Stufe beginnt eine Kies-/Rasenfläche, die nicht nur das Herz der Fußballromantiker aufgehen lässt, sondern auch die Notdurft mancher Fans erleichtert. Es wirkt als wäre in Darmstadt neben der Stadionuhr ebenso die Zeit stehen geblieben. Die Hintertorkamera steht auf einem Baugerüst und die Musikanlage quittiert phasenweise ihren Dienst. Die Ecken werden nicht von einem Sponsor präsentiert und der Fan wird auch nicht mit „Nur noch 15 Minuten“-Ansagen zum Bierholen animiert. In der Halbzeit wird statt einem Sponsorenspiel gefühlt jeder Darmstädter gegrüßt. Das Stadion war ausverkauft, doch die Ränge waren luftig gefüllt, wodurch sich jeder einen Platz mit guter Sicht suchen konnte. Die Hannoveraner nutzten diesen Platz anderweitig und fackelten zu Spielbeginn ein amtliches Sylvesterfeuerwerk ab.

Pyro-Böllenfalltor

 

Das Böllenfalltor besticht durch den Charme vergangener Tage, aber der macht es nicht zum heiligen Gral. Die Akustik in der Schüssel ist grauenhaft und die Fangesänge wirken ähnlich improvisiert wie die Organisation. Vor allem bei Wechselgesängen sind die Darmstädter ziemlich unkoordiniert. Kein Wunder, denn das „Fansein“ muss von vielen noch gelernt werden. Noch vor 3 Jahren hatte Darmstadt einen Zuschauerschnitt von 6000-7000. Heute kommen doppelt so viele. Schlechte Akustik hin oder her, für das Erreichen der 3. Pokalrunde gegen einen Bundesligisten war die Stimmung eher bescheiden. Hinzu kommt die nervige Dauerschleife einer eintönigen Stadionhymne, die gefühlt aus zwei Worten besteht.

Böllenfalltor-Panorama

 

„Old School“ heißt nicht per se besser oder schlechter, doch alles in allem ist das Böllenfalltor definitiv einen Besuch wert. Damit genug zu Darmstadt. Als Eintrachtfan erwartet mich am Freitag eine minutiös durchgeplante Kommerzmaschine. Es geht zum Heimspiel gegen die Bayern oder mit anderen Worten, zurück in die Zukunft.

Mirkchief

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