Beim 4:1-Heimsieg über Hannover am vergangenen Samstag holten sich Zlatko Junuzovic und Clemens Fritz ihre fünfte, respektive zehnte gelbe Karte. Nicht unbedingt ein ungewöhnliches Ereignis, zumal es im Kellerduell gegen Hannover 96 um viel ging. Interessant wurde das Ganze erst nach dem Spiel. Im Interview erklärte Junuzovic die Gelbe Karte bewusst in Kauf genommen zu haben, um die Sperre im ohnehin aussichtslosen Spiel gegen den FC Bayern München absitzen zu können.
“So ehrlich muss man sein. Wir haben im Vorfeld gesagt, dass ich das eventuell auch machen soll.”
Daraufhin begann der DFB zu ermitteln. Um einer möglichen Sperre zu entgehen ruderte der Verein und Junuzovic zurück, die Aussagen seien aus der Emotion entstanden und falsch interpretiert worden. In der Bundesliga gab es bereits einen ähnlichen Fall, als ein Spieler nachträglich, auf der Grundlage eines Interviews gesperrt wurde. In der Saison 94/95 sorgte Andreas Möller mit einer Schwalbe gegen den Karlsruher SC für Aufsehen. Der unberechtigte Elfmeter brachte Dortmund zurück auf die Siegerstraße. Zorc verwandelte und wenige Minuten später gelangt Sammer der 2:1 Siegtreffer. Nach dem Spiel wurde Möller zu der Situation befragt, in der man, laut seinem damaligen Gegenspieler Dirk Schuster, „einen Kleinwagen zwischen ihm und Möller hätte parken können“. Möller rechtfertigte sich folgendermaßen: „Das war eine Schutzschwalbe. Ich dachte, dass Dirk Schuster mich voll umhauen würde.” Der DFB verhängte zwei Spiele Sperre und 10.000 Mark Geldstrafe.
Vor einigen Wochen schafften es zudem gleich fünf Spieler von Darmstadt 98 sich eine Gelbsperre vor der Partie in München abzuholen. Damals entbrannte eine hitzige Diskussion, ob dieses Vorgehen Wettbewerbsverzerrung ist. Hinterher legte Darmstadt, auch ohne die fünf Stammkräfte, einen überzeugenden Auftritt hin und ging sogar kurzzeitig in Führung. Eine Woche später konnte Darmstadt im deutlich wichtigeren Spiel in Bremen wieder mit ihrer Topelf antreten und holte einen vielleicht überlebenswichtigen Punkt. Werder Bremen hatte sich damals nicht über die Vorgehensweise von Darmstadt beschwert. Sie haben es als legitimes Mittel akzeptiert, weil sie wissen, dass Darmstadt alle Möglichkeiten ausschöpfen muss, um sich in der Liga zu halten. Bei Werder ist die Situation ähnlich.
Gegen die Spieler von Darmstadt wurde nicht ermittelt, weil sie sich in Interviews nicht dazu äußerten. So halten es heutzutage die meisten Spieler und Trainer bei kritischen Fragen mit den drei Affen – nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. In anderen Situationen wird gelogen bis sich die Balken biegen oder anders ausgedrückt, es wird sich diplomatisch geäußert. Wechselt Spieler XY den Verein sind es natürlich die sportlichen Perspektiven, die den Ausschlag für den Wechsel geben. In einigen Fällen ist das sicherlich zutreffend, aber oftmals eben nicht. Wenn beispielsweise der Schalker Julian Draxler, der bereits mit sieben Jahren zu den Königsblauen kam, nach Wolfsburg geht, wird er es schwer haben, bei der Begründung das Thema Geld vollständig zu umkurven. Auch der Wechsel zum FC Bayern von Sven Ulreich, der damit seine aktive Torwartkarriere praktisch beendete, wird über kurz oder lang auf das Thema Geld reduziert werden.
Das soll kein Vorwurf an die Spieler sein, schließlich ist es ihr gutes Recht den Verein zu wechseln und es bedarf dazu keine Berechtigung eines Fanrats für Moral und Werte. Aber wenn ein Spieler dann auf den Wechsel angesprochen, wird muss er sich keine Geschichten à la Manuel Neuer ausdenken. Der Bayerntorhüter wurde vergangenen Sommer zu seinen Werbepartnern befragt, seine Antwort:
„Ich wähle Partner, hinter denen ich auch stehe. Es muss zu mir passen. Allianz zum Beispiel steht für Rückhalt, wie ich als Torwart auch. Coke Zero steht für das Zu-null, das ich immer schaffen will; Sony für die Schärfe des Bildes, die ich auch benötige.“
Albert Streit war einer der wenigen, die ehrlich sagten, aus finanziellen Gründen den Verein gewechselt zu haben. Streit wechselte 2008 zu Schalke. Als der Verein ihn in die zweite Mannschaft abschob, akzeptierte er das und kündigte an, seinen Vertrag aussitzen zu wollen. Diplomatische Aussagen hört man auch bei jeglichen Auslosungen in Pokalwettbewerben. Jeder will sich alle Möglichkeiten offen halten und bloß kein schlechtes Wort gegenüber einem späteren Gegner verlieren. Dabei ist es doch offensichtlich, dass außer den Amateuren in der ersten Runde, keiner gegen Bayern (oder Dortmund) antreten möchte, einfach weil die Chance weiterzukommen verschwindend gering ist.
Durch den unbändigen Willen alles vermarkten zu wollen, sind Aussagen von Spielern und Trainern seit Jahren angepasst und absolut austauschbar. Wenn der DFB die wenigen ehrlichen Spieler jetzt auch noch bestraft, dann haben Interviews bald nicht mehr Inhalt als Loriots Bundestagsrede. Sicherlich hat der Profifußball eine Vorbildfunktion, obwohl diese beim Anblick mancher volltätowierter Kernasis nicht direkt ersichtlich ist. Aber ist man ein gutes Vorbild, wenn man den Leuten dreist ins Gesicht lügt oder macht es die Sache nicht vielleicht sogar schlimmer? Und hat der DFB nicht eigentlich Wichtigeres zu tun, als einen Spieler für ein absichtliches Zeitspiel zu bestrafen?