Tripreport London: Über Boxing Day in Europas Fußballhauptstadt (Part 2)

Der zweite Teil meines Londontrips. Berichtet wird über einen Spielbesuch bei West Ham United und wie schwer es ist Karten für ein ausverkauftes Premier League Spiel zu ergattern.

 

Am 28.12 standen etliche Spiele auf dem Programm. Mein Plan war um 17:30h West Ham gegen Southampton zu gucken. Da ich aber bis jetzt kein Ticket hatte, überlegte ich eventuell auszuweichen und beispielsweise das Championship-Spiel der Queens Park Rangers um 15.00h zu gucken. Die Ticketsituation dürfte dort wesentlich entspannter sein. Nach kurzer Überlegung entschied ich das Risiko, keine Karten zu bekommen, einzugehen. Zur Not würde ich das Spiel im berühmten Boleyn Pub neben dem Stadion gucken, das hätte sicherlich auch etwas. Um die Zeit bis zum Anstoss zu überbrücken, besichtigte ich vorher das Emirates Stadion. Es ist ähnlich riesig wie das Wembley, aber die Umsetzung ist hier noch besser gelungen. Zum einen durch die unmittelbare Nähe zum alten Highbury-Stadion und zum anderen durch die Berücksichtigung klassischer Merkmale, wie den Umzug der berühmten Uhr. Anders als das Wembley profitiert das Emirates im Bezug auf Leben und Atmosphäre von direkt angrenzenden Wohnhäusern. An Spieltagen eröffnen einige Anwohner gar Verkaufsstände direkt in ihren Vorgärten.

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Danach wollte ich die neue Heimstädte von West Ham, das Olympiastadion besichtigen. Beim Aussteigen in Stratford, merkte ich jedoch, dass es ein fünfzehn minütiger Fußmarsch bis zum Stadion ist. Daher fuhr ich direkt weiter zum Boleyn Ground um rechtzeitig da zu sein und ein Ticket zu bekommen. Gegen 14:30 erreichte ich die Haltestelle Upton Park. Von dort sind es keine 5 Minuten Fußweg bis zum Stadion, Boleyn Ground. Zunächst suchte ich den Boleyn Pub auf, in der Hoffnung dort Informationen über Tickets zu bekommen. Der Pub steht quasi direkt neben dem Stadion und er war jetzt schon relativ voll. An einem Tisch im Außenbereich saßen vier Deutsche. Sie hatten ihre Tickets schon vorab bestellt und keines übrig. Ich fragte einige „Hammers“, wie man es am geschicktesten anstellt, wenn man ein Ticket sucht. Es gab unterschiedliche Antworten, einige meinten am Besten direkt an der U-Bahn-Station fragen, andere präferierten den Bereich rund um die Ticketoffices am Stadion, wieder andere meinten auf dem Weg zwischen Stadion und U-Bahn stehen Verkäufer.

Also klapperte ich diese Orte nacheinander ab. Die Ticketoffices selbst hatten zwar geöffnet, aber lediglich damit bereits bezahlte Tickets abgeholt werden konnten. Das Stadion war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Auch davor verkaufte niemand Tickets, möglicherweise war es zu früh. Dennoch wollte ich zunächst die Ticketsituation klären, bevor ich wieder in den Pub zurückkehre. Den Weg zwischen zwischen U-Bahn und Stadion ging ich immer wieder auf und ab. Das Unterfangen war schwerer als erwartet. Nach einiger Zeit fühlte es sich so an, als hätte ich jeden der 27.000 Stadionbesucher nach einem Ticket gefragt. Vor dem Queens-Pub sprach ich schließlich einen touristisch aussehenden Typen mit „West Ham“-Trainingsjacke an. Er kam aus Dänemark und war mit Freunden für das heutige Spiel angereist. Zu meinem Glück war sein Bruder krank und sie hatten tatsächlich eine Karte über. 55£, Betway Upper Stand las ich auf der Karte. „You can have it for 50,“, sagte der Däne, „but you will be sitting next to us.“ Damit konnte ich sehr gut Leben.

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Entspannt ging ich zurück in den Boleyn Pub und wollte die zweite Halbzeit der 15h-Spiele schauen. Auf dem Fernseher lief jedoch schottische Premier League. Da fiel mir ein, dass diese Spiele üblicherweise nicht im britischen Fernsehen gezeigt werden, um dem Stadion keine Konkurrenz zu machen. Den Besuchern im Pub war sowieso egal, was da auf dem Fernseher lief. Jeder hat durch Filme oder Videos ein ungefähres Bild von Fußballfans in englischen Pubs. Ich kann sagen, die Wirklichkeit entspricht dem nahezu 1zu1. Der Pub hat in der Mitte einen großen, mit Teppich ausgelegten Raum. Dort finden sich weder Stühle noch Tische, lediglich ein Fernseher hängt an der Wand. Mittlerweile war es brechend voll. In der Mitte des Raumes wurden immer wieder Fangesänge angestimmt. Zunächst hatte ich bedenken, ob es eine gute Idee ist davon ein Video mit dem Handy aufzunehmen, doch das machte so gut wie jeder. Kein Wunder, dass es nach jedem Spiel unzählige Videos auf Youtube, Twitter und Facebook gibt. In Deutschland unvorstellbar, hier freuen sich die Engländer sogar über die Videos. Gesungen wurden die klassischen West Ham Songs, wie „West Ham till I die“ und „Forever blowing bubbles“. Daneben wurde immer wieder ein schöner Song zur Melodie von „Achy Breaky Heart“ gesungen. Ich konnte nicht ganz verstehen worum es ging, aber zum Glück gibt es das Internet. Es handelte sich um ein Lied zu Ehren des neuen Spielmachers Dimitri Payet von Olympique Marseille. Auf einmal zogen die Leute ihre Kapuzen auf, denn sie wussten was passieren würde. „Let’s go fuckin mental, let’s go fuckin mental, lalalalaa…..“, die Masse startete einen Pogo in der Mitte und es flogen Bierbecher durch den Raum. Im Anschluss holte man sich einfach ein neues Bier und es ging weiter, als wäre nichts gewesen.

 

Um kurz nach fünf verließ ich den Pub Richtung Stadion. Auf dem Weg nahm ich mir ein Programmheft mit und dann ging es rein ins Vergnügen. Die Eingänge in England sind faszinierend. Während in Deutschland die Drehkreuze etwa Hüfthoch sind, so sind sie in England über Kopfhöhe. Sie wirken wie Eingänge zu einem Gefängnistrakt. Ohne Ticket hier reinzukommen dürfte in etwa den Schwierigkeitsgrad haben wie ohne Berechtigung aus einem Gefängnis rauszukommen. Ich begebe mich auf meinen Platz. Beim Einlaufen der Mannschaften wird wieder „Forever blowing bubbles“ gespielt, dazu säumen echte Seifenblasen den Mannschaften den Weg zum Spielfeld. Das Spiel hatte deutlich mehr Tempo, verglichen mit der Partie von Millwall. Southampton hatte das Spiel die ersten 30 Minuten gut im Griff und ging verdient in Führung. Die zahlreichen Gästefans waren gut drauf und stimmten immer wieder den weltbekannten Song „Oh when the Saints go marchin in…“ an. (Saints ist ihr Spitzname). Danach zogen sich die Gäste ein wenig zurück und überließ der Heimmannschaft mehr Spielanteile.

In der Halbzeit schaute ich mir die Verköstigungsmöglichkeiten an. Es gab lediglich Hot Dogs und die     sahen nicht besonders gut aus. Ich verzichtete. In der zweiten Halbzeit hatte West Ham mehr vom Spiel ohne jedoch wirkliche Torgefahr auszustrahlen. In der 70. Minute gelang dennoch der Ausgleich. Mit dem 1:1 hätten eigentlich alle Beteiligten zufrieden sein können, außer mein dänischer Sitznachbar. Er hatte auf ein Tor des eingewechselten Carroll gewettet. Tatsächlich 10 Minuten vor Schluss fliegt eine gefährliche Flanke von rechts in den Strafraum. Carroll verpasst zunächst knapp, Valencia köpft an die Unterkante der Latte, der Ball springt zurück und Carroll kann mühelos einschieben. Damit hat West Ham das Spiel gedreht und der Dänen seine Reisekosten wieder reingeholt.

Die Stimmung war wieder ziemlich englisch und es gab nur vereinzelt Gesänge aus den Fanlagern. Als Antwort auf die Gesänge der Gäste sangen die Hammers nach Spielschluss „Oh, when the Saints go two-one down…“ Interessant war, dass die West Ham Fans auf der Bobby Moore Tribüne das komplette Spiel gestanden haben, obwohl „Permanent Standing“ in England meistens ausdrücklich „prohibited“ ist. Außerdem gab es einen weiteren kleinen Block stehender West Ham Fans direkt neben dem Gästebereich. Von dort wurde einige Male Fangesänge angestimmt, was die Vermutung Nahe legte, dass es sich um den härteren Kern handelt. In Sachen Fantrennung würden sich den deutschen Behörden jedenfalls die Haare sträuben.

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Per U-Bahn ging es zunächst zurück ins Hostel. Die Haltestelle Upton Park ist ziemlich klein. Um dem Ansturm der Fans gerecht zu werden hat man die Station gesperrt und die Fans über die Seitenstraße umgeleitet. Diese ging man bis zum Ende, etwa 400m, und durfte sich dann friedlich in der Schlange einreihen, um die 400m zurück zur Station zu laufen. Die Engländer sind geübte Schlangesteher und so ging es relativ flott. Ein gutes System. Wenn es das nicht geben würde, wären etliche Verletzte an Spieltagen garantiert. Später traf ich mich erneut mit Flo und Roman, die Jungs von der Tankstelle vom Flughafen. Wir wollten in einen Laden mit dem viel versprechenden Namen Burger & Lobster. Der hatte allerdings, wie so vieles an Weihnachten, geschlossen und wir wichen in ein American Diner direkt nebenan aus. Das Essen war auch ziemlich gut, aber dort wurde kein Bier ausgeschenkt. Also machten wir uns nach dem Essen zügig auf den Weg einen Pub aufzusuchen.

Wir landeten wie am Vorabend in Shoreditch. Auch hier hatten viele Pubs geschlossen. Eine relativ neu wirkende Bar hatte offen. Es war eine typische Hipsterbar, rustikal Einrichtung aus umweltschonenden Materialien und Biere von unbekannten Brauereien. Flo blieb seiner Linie treu und griff bei der Bierwahl erneut ins Klo. Merke: Choco Loco ist nur etwas für besondere Feinschmecker. Danach machten wir noch einen kurzen Abstecher in einen Laden, dessen Einordnung in Bar oder Club nicht ganz eindeutig war. Es hat sich allerdings nicht besonders gelohnt. Das Bier gab es hier in Dosen und die kosteten stolze 5,50£. Zumal es sich nur um Bier einer bekannten deutschen Brauerei handelte. Flo hat darüber hinaus eine Kontaktlinse verloren und musste am nächsten Tag die Erfahrung machen, dass es diese in England nur auf Rezept gibt. So hatte er beim Fulham-Spiel nur ein scharfes Auge. Was bei diesem Spiel noch passiert ist, gibt es morgen zu lesen.

Mirkchief

Den ersten Teil vom Londontrip gibt es hier.

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